«Mit Nervenkitzel hatte diese Art von Fliegen wenig zu tun»

Patrouille Suisse mit SWISS Airbus A-340 300und Flares

«Rauch, Achtung, Toc!»: Dieses Kommando erteilt der Leader seinen Piloten, bevor sie die Rauchmaschine einschalten. Hier fliegen die Tiger-Piloten in Formation mit einem Airbus A-340 300 der Swiss. (5. Mai 2004) Bild: Schweizer Luftwaffe

Bundesrat Ueli Maurer sagte am Dienstag, er wolle die Patrouille Suisse abschaffen. Seither gehen die Wogen hoch. Doch wer sind diese Akrobaten der Lüfte überhaupt? Einer der ersten Piloten erzählt.

Ein Hintergrund-Bericht für den Tages-Anzeiger.

Eine «Botschafterin der Lüfte» und ein «Aushängeschild der Schweizer Armee» sei sie, die Patrouille Suisse. Sie abzuschaffen, käme einer Schande für die Schweiz gleich, so der Tenor in Fliegerkreisen. Wo man auch nachfragt – für die Kunstflugstaffel der Schweizer Luftwaffe haben alle nur lobende Worte übrig.

Gar als «Versinnbildlichung der Eigenschaften Präzision und Sicherheit» bezeichnet sie der Flugzeugexperte Walter Hodel, der sich seit Jahren mit der Patrouille Suisse auseinandersetzt. «Ihre Geschichte ist geprägt von Erfolg, denn die Patrouille Suisse fliegt seit der offiziellen Gründung 1964 anlässlich der Landesausstellung in Lausanne unfallfrei», so der Experte.

Piloten mussten Kunstflug ohne Trainings beherrschen

Offenbar als nicht allzu nennenswert wird ein Zwischenfall im Jahr 1964 in Fliegerkreisen betrachtet: Damals, am 22. August, streiften sich am Ende eines Trainingsflugs zwei Flugzeuge der Kunstflugstaffel. «Zum Glück blieb es bei kleineren Beulen und Kratzern an den Maschinen», sagt Hodel. Das Besondere an diesem Trainingsflug: Es war für die Piloten das erste Mal seit elf Jahren, dass sie die Kunstfliegerei offiziell trainieren durften. Zuvor waren ihre Bitten nach regelmässigen Trainings abgelehnt worden – Berufspiloten des Überwachungsgeschwaders müssten den Formationskunstflug ohne zusätzliche Trainings beherrschen, so die Meinung der Luftwaffenführung.

Inoffiziell gab es die Kunstflugstaffel der Schweizer Armee seit 1953: Damals zeigten vier Piloten anlässlich der Eröffnung des Flughafens Zürich-Kloten ihr fliegerisches Können. Der Erfolg war so gross, dass eine Doppelpatrouille mit Hunter-Jets regelmässig an Schweizer Flugshows auftrat. Doch erst 1959 erteilte der Waffenchef diesen Vorführungen einen offiziellen Einsatzbefehl. Schliesslich, 1965, erhielt die Truppe auch endlich einen Namen: In Anlehnung an das bereits bestehende berühmte französische Kunstflugteam Patrouille de France wurden die Schweizer Patrouille Suisse genannt.

Erster Preis am Royal International Air Tattoo

Ein weiterer Meilenstein war laut Flugzeugexperte Walter Hodel die Erweiterung des Teams von vier auf fünf (1970) und von fünf auf sechs Flieger (1978). Ebenfalls 1978 kam es zu einer weiteren Neuerung: Die Patrouille Suisse durfte erstmals im Ausland fliegen (zuvor war dies wegen der «strikten Neutralität der Schweiz» verboten). Dies war denn auch der Startschuss für viele Erfolge an internationalen Kunstflugwettbewerben.

Einer, der selbst an einem solchen Wettbewerb mitgeflogen ist, ist der ehemalige Militär- und Patrouille-Suisse-Pilot Walter Böhm. «1979 sprang ich für den ehemaligen Kommandanten der Schweizer Luftwaffe, Markus Gygax, ein und gewann in England am Royal International Air Tattoo den ersten Preis», so der 70-Jährige. Dieses Ereignis bezeichnet er als den grössten Erfolg in seiner Zeit bei der Patrouille Suisse.

Hauptmann Birrer kehrte nicht mehr zurück

Doch auch ein trauriger Vorfall ist in Böhms Erinnerung immer noch präsent: «Einer der bewegendsten Momente meiner Fliegerkarriere war der Absturz von Hauptmann Paul Birrer», erzählt er. An diesem 18. April 1968 kurz vor 12 flogen Birrer und Böhm zusammen mit zwei anderen Piloten über der Axalp zuerst im Verband der Patrouille Suisse Formationsflüge für ein Buchprojekt des bekannten Schweizer Fotografen und Piloten Ernst Saxer. «Hauptmann Birrer schickte uns dann zurück nach Meiringen zum Landen – Saxer bat ihn als Leader der Patrouille Suisse, noch einige Soloflüge zu absolvieren», erzählt Böhm.

Birrer kehrte an diesem Tag aber nicht wieder zur Airbase zurück: Weil er zu nah an eine Bergkante flog, touchierte er diese und prallte schliesslich auf der gegenüberliegenden Talseite in eine Felswand. Auch der Fotograf kam bei diesem Unglück ums Leben: Er stand auf der Felskante, die Birrer streifte, und wurde von Trümmerteilen erschlagen. «Weil der Formationsflug bereits aufgelöst war, galt der Absturz von Paul Birrer aber nicht als Unfall der Patrouille Suisse», erklärt Walter Böhm.

«Ich fühlte mich wie ein Musiker vor seinem Auftritt»

1969 sattelte Walter Böhm fliegerisch vom Hunter-Jet auf die Mirage um und trat somit aus der Patrouille Suisse aus. Zweimal kehrte er aber nochmals zur Fliegermannschaft zurück: Einmal als Ersatz 1977 für den im regulären Dienst verunglückten Roland Gygax und das zweite Mal 1979 für Markus Gygax am Fliegerwettbewerb. Er habe diese Zeit sehr genossen und sehr gute Kameradschaften geschlossen, erzählt der Oberst ausser Dienst. «Doch das Fliegen in der Patrouille Suisse war im Vergleich zum regulären Dienst harte Arbeit, da konnte man sich keinen Moment entspannen», erinnert er sich und ergänzt: «Mit Nervenkitzel hatte diese Art von Fliegen wenig zu tun, ich fühlte mich jeweils eher wie ein Musiker vor seinem Auftritt.»

15 Jahre nach Walter Böhms letztem Patrouille-Suisse-Flug wurden die alten Hunter-Jets durch die amerikanischen Northrop F-5E Tiger II ersetzt. Ebenfalls neu: Die Jets wurden komplett rot-weiss bemalt (1991 wurden die Flügelunterseiten der Hunter-Maschinen zur 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft rot bemalt). 1996 dann erfolgte die vorerst letzte Änderung an den Tiger-Maschinen: Die Jets wurden mit einer Rauchmaschine ausgerüstet. Diese dienen bis heute einerseits als Showeffekt, andererseits tragen sie dazu bei, dass die Piloten einander früher sehen, wenn sie aufeinander zufliegen.

Grosser Ärger über Abschaffungsvorschlag

Der Vorschlag zur Abschaffung der Patrouille Suisse wurde vor mehreren Jahren schon einmal diskutiert. Dass dieses Thema nun erneut auf dem Tapet ist, stimmt Pilot Walter Böhm nicht wehmütig, «nein, da wäre ich richtig verärgert!», sagt er energisch. Dass ausgerechnet ein SVP-Bundesrat diesen Vorstoss lancierte, ärgert Böhm und er ergänzt: «Ich hoffe, dass dieser Vorschlag nochmals gründlich überprüft wird und dass Ueli Maurer es fertigbringt, dass seine beste Armee der Welt wieder eine Gattung macht.»

Tagesanzeiger.ch/Newsnet


Eine «Botschafterin der Lüfte»: Die Kunstflugstaffel der Schweizer Luftwaffe. (Quelle: Youtube.com)

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